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Liminalitat ist ein Signum der Gegenwart. Die neuere Literatur, insbesondere die Lyrik, nimmt seismographisch liminale Phanomene der Gegenwart wahr und bildet vielfaltige liminale Formen und Funktionen aus. Zentral betroffen ist das sprechende Subjekt, das in Transition versetzt wird: Zersetzung, Aufloesung, Fluiditat, aber auch Transparenz und Transformation oeffnen seine Grenzen zum Anderen: zu den Mitmenschen, der Natur oder auch der Transzendenz. Der vorliegende Band vereint Aufsatze, die Liminalitat in Bezug auf Schwellenzeit als conditio historiae der Gegenwart, auf Gattungstransitionen und auf Grenzerfahrungen des Subjekts behandeln. Der Schwerpunkt liegt auf russisch- und deutschsprachigen Gedichten. Daruber hinaus werden weitere slavische und ostasiatische Literaturen einzeln und komparatistisch behandelt sowie andere Gattungen, intermediale Formen und philosophische Perspektiven einbezogen.
Das Subjekt ist in der Gegenwart geradezu omniprasent. Ideengeschichtlich hat es zahlreiche Transformationen durchlaufen und ist immer wieder kontrovers diskutiert worden. Trotz der These vom "Verschwinden des Subjekts" begegnet es derzeit nicht nur in neuartigen Ausformungen, sondern auch als Referenzbegriff in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen. Der vorliegende Band widmet sich der Frage, in welchen Formationen und Diskursen das Subjekt in der Gegenwart Prasenz gewinnt. Der Fokus liegt dabei auf Konfigurationen des Subjekts in theoretischen Konzepten, poetologischen Reflexionen und lyrischen Gestaltungen. Die untersuchten Texte entstammen der russischen, ukrainischen, deutschen, chinesischen, japanischen, brasilianischen, chilenischen und arabischen Gegenwartslyrik.
Die Arbeit widmet sich dem Zusammenhang zwischen den Phanomenen Gewalt und Dissoziation, der in der Lyrik nach 1989 vermehrt reflektiert wird. Den Gegenstand der Untersuchung bilden russisch- und deutschsprachige Gedichte, die in vier thematischen Konstellationen einander gegenubergestellt werden. Dabei zeigt sich, dass die Relation zwischen Gewalt und Dissoziation in Form von Wechselbeziehungen gestaltet wird, die ihrerseits die Etablierung verborgener Gewaltstrukturen ursachlich bedingen. Behandelt werden Texte der LyrikerInnen Sergej Stratanovskij, Ulrike Draesner, Slava Mogutin, Ann Cotten, Durs Grunbein, Elena Fanajlova, Friederike Mayroecker und Aleksandr Skidan.
Das seit jeher spannungsreiche Verhaltnis zwischen Autor und Subjekt bildet in der Gegenwartslyrik ein Experimentierfeld, das eine Herausforderung fur die Lyriktheorie darstellt. Die Beitrage diskutieren zentrale Positionen zu den Konzepten 'abstrakter Autor' und 'lyrisches Subjekt' unter Berucksichtigung ihrer unterschiedlichen Genese sowie Terminologie in den verschiedenen Philologien. Aus der Gedichtanalyse werden Perspektiven oder Alternativen zu diesen Konzepten entwickelt, um ein Instrumentarium zur Beschreibung der neuen Autor-Subjekt-Relationen in der Lyrik zu gewinnen. Der Band mit germanistischen, slavistischen, anglistischen und komparatistischen Beitragen ist Ergebnis des DFG-Projekts zur "Typologie des Subjekts in der russischen Dichtung der 1990-2010er Jahre" und der DFG-Kollegforschungsgruppe "Russischsprachige Lyrik in Transition - Poetische Formen des Umgangs mit Grenzen der Gattung, Sprache, Kultur und Gesellschaft zwischen Europa, Asien und Amerika".
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Der Traum als Medium transzendenter Erfahrungen ist ein bevorzugtes literarisches Motiv von der Antike bis zur Gegenwart. Auch in der russischen inoffiziellen Lyrik der Sowjetzeit entwickelt der Traum metaphysische Dimensionen, die auf individuelle Weise gestaltet werden. Anhand der Analyse exemplarischer Gedichte wird die Traumpoetik von Elena Svarc, Ol'ga Sedakova und Gennadij Ajgi erschlossen und im Hinblick auf ihre Spezifik vergleichend ausgewertet. Die dichterisch geformten Traume erweisen sich als Wege zur Gottesbegegnung (Sedakova), zu spiritueller Selbsterkenntnis (Svarc) oder auch zu mystischer Naturerfahrung (Ajgi). Die drei AutorInnen verorten sich dadurch im literaturhistorischen Kontext der metaphysischen Lyrik, deren Tradition sie durch das Traummotiv fortsetzen.
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Ein Paradigmenwechsel Mitte der 1990er Jahre hat in der Slavistik die Gegenwartsliteratur als Thema etabliert, allerdings betraf er vor allem die postmoderne Prosa. Die Dichtung (Lyrik) erfuhr lange Zeit wenig Aufmerksamkeit. Diese Arbeit stellt einen der wichtigsten russischen Dichter der letzten Jahrzehnte vor: Timur Kibirov (*1955). Kibirovs Verstexte sind ein Seismograph der gesellschaftlichen Prozesse im spat- und postsowjetischen Russland. Immer wieder fragen sie nach moralischen, asthetischen und religioesen Werten. Sie suchen nach einem Mittelweg zwischen den Extremen der ideologischen Verfestigung und des postmodernen Relativismus, ob sie in konzeptualistischer Manier sowjetische Ideologie dekonstruieren oder postmodern fur Moral und Glauben agitieren.
Die Arbeit beschaftigt sich mit Viktor Pelevins Roman Capaev i Pustota und ruckt dabei die literarischen Verfahren des Autors, die seinen Schreibstil charakterisieren, in den Mittelpunkt der Analyse. Auf der inhaltlichen Ebene des Romans wird die das Bewusstsein krank machende Wirkung der Medien aufgezeigt. In der asthetischen Form des Romans werden dagegen Strategien des Buddhismus verwirklicht, die als heilende Gegenmassnahme verstanden werden koennen. Methodisch geht die Arbeit zunachst werkimmanent vor und greift dabei auf die kommunikationstheoretisch fundierte Narratologie zuruck. Abschliessend wird der Roman im Ganzen als "literar-buddhistisch gepragter Antimedienroman" charakterisiert.
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