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Die gegenwartige Soziologie ist durch die Zersplitterung in eine
Vielfalt von "Ansatzen" gekennzeichnet. Im vorliegenden Buch wird
nachgewiesen, dass all diesen Ansatzen ein einheitlicher
Gegenstandsbereich zugrunde liegt: Die einzelnen Richtungen der
Soziologie konnen gar nicht anders als soziale Phanomene zu
analysieren. Es wird gezeigt, dass diese trotz der Vielfalt ihrer
Erscheinungsformen in einer nachvollziehbaren Weise identifiziert
werden konnen. Die ubergreifenden Kriterien ihrer Identitat, die
Prinzipien ihres Aufbaus und die sich daraus ergebenden
Konsequenzen fur kausale Erklarungen werden diskutiert.
Die soziologische Theorie ist gegenwartig durch eine Pluralitat von Ansatzen bestimmt, die sich voneinander verselbstandigt haben und selbstgenugsam eigene Fragestellungen bearbeiten. Mit der Diskussion des Handlungsbegriffs und seiner Rolle in der Soziologie ist der Anspruch verbunden, diese Isolationstendenzen zu uberwinden, indem auf die Analyse des Gegenstandsbereichs selbst zuruckgegangen wird. Alle mikro- wie makrosoziologisch orientierten Ansatze haben sich damit auseinandergesetzt, soziale Phanomene als Handlungszusammenhange zu erfassen. Daher ist die Frage nach einem einheitlichen Handlungsbegriff zugleich die Frage nach einem ubergreifenden Verstandnis des Gegenstandsbereichs. In diesem Band wird dieser Problemzusammenhang aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert. Zu den behandelten Themen gehoren die Homogenitat des Handlungsbegriffs, das Handlungsverstandnis einzelner Ansatze, die Grenzen der handlungstheoretisch fundierten Soziologie und Verbindungen zu anderen Handlungswissenschaften.
Dieses Buch ist aus meiner skeptischen Einschatzung der Entwicklung der Soziologie in den letzten Jahrzehnten heraus entstanden. Zum einen hat sich die Theorie gegenOber der "uns umgebenden Wirklichkeit des Lebens" (Weber) verselbstandigt, so daB es haufig unklar ist, worOber sie Aussagen macht. Zum anderen werden in der Theorie wie auch in der Empirie haufig Begriffe verwendet, deren Bezug zu den "sozialen Tatsa- chen" ungeklart ist. Das Ziel dieses Buches besteht daher darin, zu einer Theorie der soziologischen Begriffsbildung und damit zur Bestimmung des Objektbereichs der Soziologie beizutragen. Ich versuche nachzuwei- sen, daB die Verbindung von Begriffen der Soziologie mit jenen, die im Alltagsleben zur Bezeichnung sozialer Sachverhalte verwendet werden, eine notwendige ist. Wie ich diese Verbindung argumentiere, grOndet in meiner Beschafti- gung mit der analytischen Philosophie. Es ist meine Uberzeugung, daB in der Verwendungsweise der Begriffe, mit deren Hilfe in der Soziologie so- ziale Phanomene identifiziert werden, die Struktur von "Gesellschaft" auf- gezeigt werden kann. "Gesellschaft" ist jedoch keine Erfindung der So- ziologie, sondern wesentlicher Aspekt unserer "alltaglichen" Handlungen und Einstellungen, die daher in all jenen Begriffen exp/izit gemacht werden kann, die wir als Gesellschaftsangehbrige zur Identifikation dieser Zu- stande verwenden. Die strukturelle Identitat dieser zwei Ebenen der Be- griffsbildung - der alltaglichen und der soziologischen - soli dement- sprechend durch "Aufweis der Verwendungsregel der entsprechenden Wbrter" in der Soziologie wie in der Alltagssprache aufgezeigt werden. Die Arbeit ist daher einem "methodischen Begriff von sprachanalytischer Phi- losophie" (Tugendhat 1979) verpflichtet.
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