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In den achtziger Jahren war die Jugenddebatte in der Bundesrepublik
Deutschland weitgehend von den Auspragungen der fclcettenreichen
und expressiven Jugendkulturen bestimmt. Aus der Jugendforschung
liegen eine Vielzahl von Publikationen vor, die versuchen, die
Jugendkulturen und Milieus als historische Phanomene und empirische
Vielfalt gesell schaftlich zu begreifen und in ihrer
sozialisatorischen Bedeutung fur Ju gendliche zu verorten. Zumeist
sind es theoretische und nur in kleinerem Umfang auch deskriptive
Auseinandersetzungen, die aus wissenschaft lich-distanzierter
Perspektive geschrieben sind und denen die entspre chenden
methodischen Instrumentarien zugrunde liegen. Damit bleibt der
Zugang zum Alltag von Jugendkulturen begrenzt, deren Wirklichkeit
wird kaum oder aber nur andeutungsweise erreicht. Die beiden hier
vorgelegten authentischen Berichte aus Frankfurt/Main und Fulda
dokumentieren Projekte der Jugendhilfe, die sozialpadago gisch und
wissenschaftlich begleitet wurden. Fur die sozialpadagogische
Begleitung kam es darauf an, fur das gemeinsame Zusammenleben der
Gruppen einen Bezugsrahmen herzustellen, um die Alltagsrealitat zu
be waltigen. Daruber hinaus spielten Punkte wie: das Verhaltnis
Gruppenj Indivi-duum, Beziehungsverhaltnis Sozialarbeiter/Gruppe,
Entwicklung zur Selbstandigkeit und das Verhaltnis von Binnensystem
und Aussenwelt eine grosse Rolle. Die wissenschaftliche Begleitung
beobachtete und do kumentierte diesen Prozess. Durch
Beratungsgesprache und ausfuhrliche Mitarbeiterinterviews sowie
Interviews mit den Punks konnten zahlreiche Dokumente und
Informationen zum Projektverlauf gewonnen werden."
Ein Blick in die jugendpadagogische und sozialwissenschaftliche
Lite ratur dieses Jahrhunderts zeigt, dass es einen "bunten
Strauss" von Ge sellungsformen und Gleichaltrigenkulturen von
Jungen und Madchen ge geben hat und weiterhin gibt. Sie reichen von
engen Freundschaftsbezie hungen, uberschaubaren Cliquen und
Kulturen bis hin zu sogenannten "Gangs" oder breiten
Jugendbewegungen; deren Strukturen und Merkmale konnen als eher
formell oder informell charakterisiert werden. Die Ursachen fur die
historisch sich immer wieder neu herausbildenden Gruppierungs und
Gesellungsfonnen sind in den jeweiligen zeitbezogenen Lebens
verhaltnissen und Bedingungen des Aufwachsens begrundet und
motiviert. Sie entstehen in lebensweltlichen Zusammenhangen,
reflektieren die All tagserfahrungen von Jungen und Madchen und
geben in ihren vielfaltigen Formen deren Lebensgefuhl und
Befindlichkeiten einen spezifischen Aus druck. Von Bedeutung ist
deren vorubergehende oder auch langjahrige pra gende Kraft im
Prozess des Erwachsenwerdens, in der Entwicklung von Ge
schlechtsidentitat, in der Bewaltigung und Aneignung von Realitat.
In der neueren Literatur sind Gesellungsformen wiederholt als
stilbildende, krea tive Jugendkulturen, -bewegungen vorgestellt und
vor allem in ihrer selbstorganisierten Produktivitat gewurdigt
worden. Die derzeitigen gesell schaftlichen Beschleunigungen und
sich verandernden Lebensbedingungen haben den Prozessen des
Erwachsenwerdens-und dem Generationenver haltnis aber eine neue
kulturelle und geschlechtsspezifische Dynamik ver liehen. Dies hat
Folgen fur die Mentalitaten, fur alltagskulturelle Verhal
tensweisen und Lebensentwurfe von Jungen und Madchen wie auch fur
die Entwicklung von Gesellschaft und Kultur. Dieser Zusammenhang
ist bisher in seiner Bedeutung und Tragweite kaum reflektiert und
mit seinen Wir kungen begriffen worden."
"Ich gril13e die Jugend, die nicht mehr sauft, Die Deutschland
durchdenkt und Deutschland durchlauft, Die frei heranwiichst, nicht
schwarz und nicht schief. Weg mit den Schliigem, seid wirklich
aktiv, Das Mittelalter schlagt endlich tot Ein neuer Glaube tut
allen not. Bringt Humpen und Sabel zur Rumpelkammer, VeIjagt den
SufI samt dem Katzenjammer Und alles, was Euch verfault und
verplundert Auf, werdet Menschen von unserm Jahrhundert " (der
Schriftsteller Herbert Eulenberg, auf dem Hohen Mei13ner 1913) "Wir
konnen uns der Erkenntnis freuen, daB die Seele starker als je am
Werke ist, daB sie mit neuem Mutesich aus dem Materialismus, der
Dingkultur ihren leuchtenden Weg bahnt, daB wir nicht
verlorengegehen im Sumpfund der Fiiulnis absterbender Kulturen,
sondem vertrauend auf ihre eigene Kraft einem leuchtenden
Menschheitsmorgen entgegen gehen." (Robert Budzinski, Sprecher der
aus der Jugendkultur hervorgegangenen "Neudeutschen
Kilnstlergilden" im Jahre 1920) Die padagogisch-berufliche
Beschiiftigung mit Jugend hatte in der ersten Halfte und Mitte der
neunziger Jahre als zentrales Thema "Gewalt" und
ethnisch-kulturelle Konflike mit ihren unterschiedlichen
Auspragungen.
Das Phanomen der Jugend-Gewalt ist historisch nicht neu, es ist
kontext- und situationsgebunden wiederholt aufgetreten und stets
mit grosser oeffentlicher und wissenschaftlicher Aufmerksamkeit
bedacht worden. Dies wird in der gegenwartigen Diskussion eher
ausgeblendet und vergessen. Vor allem Teile der mannlichen Jugend
aus den unteren sozialen Schichten stehen im Blickpunkt, wenn von
unterschiedlichen gewaltfoermigen Verhaltensweisen und jugendlichen
Gruppierungsformen die Rede ist. Sie sind Ausdruck von und
verweisen auf kulturell-zivilisatorische Umbruche,
Generationenspannungen, die Lebenssituation und Erfahrungsprozesse
von Jugendlichen in der Gesellschaft. Gewaltfoermige
Verhaltensweisen werden zu Stereotypen einer boesen Jugend, und
jugendliche Gewalt wird von Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und
Erziehung als bedrohlicher Tatbestand und gefahrliche Abweichung
wahrgenommen und interpretiert. Phanomen- und
jugendkulturgeschichtlich gab es zu Beginn dieses Jahrhunderts eine
Halbstarkendebatte, in der Weimarer Republik die Diskussion um
Banden, Cliquen und die verwahrloste mannliche Grossstadtjugend, in
den funfziger Jahren eine kurze, geradezu dramatische
Auseinandersetzung um die Halbstarken. Diese drei
Erscheinungsformen jugendlicher Gewalt werden mit zahlreichen
Quellenbezugen vorgestellt. Der Band zeigt, wie die jeweiligen
Jugendkulturen und Freizeitmilieus in der padagogischen Literatur
dargestellt und wie uber sie diskutiert wurde. Gleichzeitig werden
die zeittypischen padagogischen und politischen Bemuhungen
deutlich, Jugendliche zu erziehen, zu kontrollieren und zu
integrieren.
Soziale Passagen sind ein interaktives Projekt, das sich den durch
gesellschaftliche Veranderungen provozierten Herausforderungen
stellt und sich dezidiert als wissenschaftliche
Publikationsplattform zu Fragen der Sozialen Arbeit
verstehen.
Soziale Passagen stehen fur eine deutlich konturierte empirische
Fundierung und die Entdeckung' der Hochschulen, Forschungsprojekte
und Forschungsinstitute als Praxisorte. Sie bieten einen
diskursiven Raum fur interdisziplinare Debatten und sind ein Forum
fur empirisch fundierte und theoretisch elaborierte Reflexionen.
Soziale Passagen enthalten in jeder Ausgabe einen Thementeil und
ein Forum fur einzelne Beitrage. Einen weiteren Schwerpunkt bilden
Kurzberichte aus laufenden Forschungsprojekten. Die inhaltliche
Qualitat ist uber ein peer-review-Verfahren gesichert.
Soziale Passagen richten sich an Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und
Studierende an Universitaten, Fachhochschulen und Instituten sowie
an wissenschaftlich orientierte Leitungs- und Fachkrafte in der
sozialpadagogischen Praxis."
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