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Psychopathologie wird dadurch zur interdisziplinaren Wissenschaft, dass sie spezifisch psychopathologische Fragen, wie die nach der Schuldfahigkeit, systematisch beantworten kann. Bislang unterstellten psychiatrische Phanomenologen quasi-objektive, "reine" Inhalte geistiger Art ("Wesensschau"), die nur beschrieben, in ihrer grenzenlosen Vielfalt aber systematisch erfasst werden konnen. Gleichwohl wurden sie den im forensischen Dialog eingefuhrten Begriffen zugrundegelegt. Erkenntnistheoretische Besinnung geht von Kant aus und zeigt, dass Phanomene dem Erkennen nicht fertig vorgegeben sind, sondern (in der Sprache) hergestellt werden. Erst durch Untersuchung der Herstellungsprinzipien wird Phanomenologie formalisiert und Psychopathologie - mit den uber ihre praktische Brauchbarkeit entscheidenden Kontrollmoglichkeiten - systematisch. Das Buch tragt den Entwicklungen der letzten 15 Jahre auf dem Gebiet der forensischen Psychiatrie Rechnung. Es erfullt die Funktion eines grundlegenden Lehrbuches der gerichtlichen Psychologie und Psychiatrie.
In Band 1 "Verantwortlichkeit, Personlichkeit und Erleben" und Band 2 "Das strukturale System der Psychopathologie" der "Beitrage zur Psychopathologie" hat der Verfasser die theoretischen Grundlagen dargelegt, auf denen im nun- mehr vorliegenden Band 3 "Die strukturale Psychopathologie in der Praxis der Gerichtspsychiatrie" die Anwendung dieser psychologischen Kenntnisse bei der praktischen Tatigkeit des psychiatrischen Sachverstandigen vor Gericht aufbaut. Mit der Darstellung von Theorie und Praxis der zentralen Probleme der psychiatrischen Begutachtung im Strafrecht bilden die 3 Bande ein ge- schlossenes Ganzes, sie sind aber so konzipiert, daB jeder Band, auch fUr sich gelesen, verstandlich bleibt. Mit der "Strukturalen Psychopathologie in der Praxis der Gerichtspsychia- trie" wendet sich der Verfasser in erster Linie an die psychiatrischen Gutachter selbst, an Richter, Strafverteidiger und Staatsanwalte. Aber uber diesen speziel- len Interessentenkreis hinaus wendet sich das Gesamtwerk an alle "Psychowis- senschaftler", denn es bietet, insbesondere mit seinem zweiten Band, eine in sich geschlossene Konzeption der Psychopathologie, die weit uber das forensi- sche Anwendungsgebiet hinausgeht und fUr die wissenschaftliche Psychiatrie an sich von grundlegender Bedeutung ist. In dem hier vorgelegten dritten Band erlautert der Verfasser zunachst aus seiner Sicht das System des Strafrechts, soweit er dessen Kenntnis als unerlaBli- che Voraussetzung fUr sachbezogene gutachtliche Aussagen des psychiatrischen Sachverstandigen ansieht. Eine autonome Entscheidungsfahigkeit des Individu- urns wird im Strafrecht als "Schuldfahigkeit" unterstellt, von dieser Vorausset- zung mllS der Sachverstandige ausgehen, - mag er sie gut heiBen oder nicht.
1m Titel dieses Buches ist von Personlichkeit und Erleben die Rede. Es geht urn Begriffe, die sich von selbst zu verstehen scheinen, ebenso wie der Begriff der Verantwortlichkeit und der Begriff der Normalitat. Der Schein trUgt. Der Psychiater, der von den Gerichten herangezogen wird, urn als Sachverstandiger zu diesen Begriffen Stellung zu nehmen, erfahrt bald, d hier in Wirklichkeit eine gro e Begriffsverwirrung herrscht. Als ob es eine stillschweigende Vereinbarung gabe, wird darUber wenig gesprochen. Dies ist ganz erstaunlich, da die Gerichte sehr oft psychiatrische Sachverstandige heranziehen. Noch erstaunlicher ist, d diese Unklarheit in den begrifflichen Anfangsgrtinden keine Fol. gen hat, die den einen oder andern beunruhigen. Deshalb soli hier versucht werden, Interesse flir diesen Bereich der gesellschaftlichen Angelegenheiten zu wecken. Da die zuktinftige Rechtsgestaltung wesentlich von der Auslegung dieser Begriffe mitbestimmt wird, hangt flir aile sehr viel davon ab, welche Meinungen dazu sich durchsetzen wer. den. Die Frage, wer in welchem Sinne tiber diese Begriffe Einflu auf das gesellschaft. liche Leben nehmen wird, geht jeden etwas an. Dabei liegt es nahe, den Psychiater zuerst einmal zu fragen, ob es tiberhaupt brauchbare Defmitionen von, Personlichkeit" und "Erleben" gibt. Urn diese Begriffe unmiliverstandlich zu defmieren, ist ailerdings eine methodische Einstellung notig, bei der konsequent zwischen Form und Inhalt psychologischer und psychopathologischer Gegebenheiten unterschieden wird. Wird diese Unterscheidung gemacht, dann entfallt die Unbestimmtheit der wechselseitigen Beziehungen zwischen den Begriffen Verantwortlichkeit, Personlichkeit und Erleben in eben dem M e, in dem die Begriffe Form und Inhalt selbst klar und bestimmt hervortreten."
Der psychische Befund ist Bestandteil jeder psychiatrischen Krankengeschichte und jedes Gutachtens. WAhrend fA1/4r A"rzte/Gutachter die Frage, wie ein solcher Befund zu erstellen bzw. darzustellen ist, von vorrangigem Interesse sein dA1/4rfte, geht es fA1/4r Patienten wie fA1/4r jeden, der beruflich oder privat etwas damit zu tun hat, um das VerstAndnis und um eine angemessene EinschAtzung desselben. In diesem Buch werden zunAchst die Grundlagen diskutiert, dann die 4 Dimensionen des psychischen Befundes systematisch erArtert: a) Wahn und Halluzination (VerrA1/4cktheit); b) GedAchtnisstArung, Ratlosigkeit, Demenz (Verworrenheit); c) Schwachsinn und Psychopathie; d) NormalitAt. Es liegt damit eine in sich abgeschlossene Darstellung der Psychopathologie vor.
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