|
Showing 1 - 3 of
3 matches in All Departments
Habitat und Habitus – ein semantischer Gleichklang, aber auch ein
Verweis auf ein fehlendes Glied in der breiten internationalen und
interdisziplinären Rezeption und Diskussion rund um Bourdieus
Habitus-Konzept. Bisher konzentrierte sich die Rezeption des
»Habitus« fast ausschließlich auf die in La distinction, den
»feinen Unterschieden« vorgetragene, wie Bourdieu es selbst
nannte, »Ethnographie der französischen Gegenwartsgesellschaft«.
Wie defizitär, genealogisch und theoretisch, dieser Eindruck war,
erschließt sich erst durch einen Blick auf die »Anfänge«
Bourdieus, seine algerische Erfahrung. In diesen grundlegenden
ethnografischen Forschungen entwickelte Bourdieu nicht zuletzt dank
des Blicks durch den Sucher seiner intensiv eingesetzten Kamera
eine spezifische Perspektive auf die innige Korrespondenz zwischen
der im Habitat der Menschen vergegenständlichten und in ihrem
Habitus eingefleischten gesellschaftlichen Welt. In hunderten Fotos
sicherte Bourdieu die Spuren einer durch koloniale Gewalt
zerstörten traditionellen Lebensform, in der Habitat und Habitus
ganz so wie Muschel und Auster eine geradezu naturwüchsige Einheit
bildeten. Die visuellen Zeugnisse aus dieser Frühphase seines
Schaffens dienten ihm bis ans Lebensende als Anschauungsmaterial
für seine theoretischen Arbeiten. Bourdieus fotografische
Zeugnisse führen vor Augen, wie sich der Verlust dieser
angestammten Lebenswelt in einem gebrochen Habitus der Entwurzelten
niederschlägt und welches Maß an zerstörerischer Gewalt in dem
vom Kolonialismus ausgelösten Clash of Civilisations zur Geltung
kommt.
Mit seinem Werk "Die mannliche Herrschaft" und dessen
schonungslosem Blick auf die anthropologischen Grundlagen und die
historische Beharrungskraft des Machtungleichgewichts zwischen den
Geschlechtern loeste Pierre Bourdieu in den 1990er Jahren eine
starke Resonanz und kontroverse Debatten im Feld der
Gender-Forschung aus. Wenig Beachtung fand dabei die Frage, woraus
sich dieser radikale Blick Bourdieus denn eigentlich nahrte und von
welchen konkreten empirischen Beobachtungen und Erfahrungen her er
seine theoretischen Perspektiven entwickelte. Seit Bourdieus ersten
Gehversuchen als junger Feldforscher im kolonialen Algerien
(1957-1961) beschaftigte er sich mit dem Thema
Geschlechterverhaltnisse, und dies gerade auf eine sehr
anschauliche Weise in Form dichter ethnographischer Beobachtungen
basierend auf dem Blick durch das Objektiv seiner Kamera. In
hunderten von fotografischen Aufnahmen dokumentierte Bourdieu das
alltagliche Verhalten von Frauen und Mannern - bei der Arbeit, bei
alltaglichen Verrichtungen aller Art ob im privaten oder
oeffentlichen Raum - und interessierte sich insbesondere fur die
hierbei jeweils an den Tag gelegte geschlechtsspezifische "Haltung"
im doppelten Sinne des Wortes, d.h. koerperliche Hexis auf der
einen und Ethos auf der anderen Seite.Dies wird in diesem Band
durch eine systematische Bild-Text-Kombination vor Augen gefuhrt.
Die hier prasentierte fotografische Soziologie der
Geschlechterverhaltnisse in Algerien, auf die sich Bourdieu beim
Verfassen seiner Studie "Die mannliche Herrschaft" massgeblich
stutzte, kann zugleich als Kristallisationskern fur die spatere
Entwicklung seiner Habitus-Theorie angesehen werden.
|
You may like...
Loot
Nadine Gordimer
Paperback
(2)
R383
R318
Discovery Miles 3 180
|
Email address subscribed successfully.
A activation email has been sent to you.
Please click the link in that email to activate your subscription.