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Die "Geschichte der Universitat Unter den Linden" analysiert die
Biographie der Institution seit 1810 (Bande 1-3) und die Praxis der
universitaren Disziplinen (Bande 4-6). Band 4 gilt der ersten
Phase, der Konstitution der Disziplinen in der Durchsetzung des
Forschungsimperativs. Bestimmend dafur sind weniger die Philosophie
oder die Grundungsrhetorik, sondern spezifische lokale,
institutionelle und kommunikative Bedingungen: Die enge Vernetzung
der Universitat mit den zahlreichen naturwissenschaftlichen und
kunstlerischen Sammlungen der Stadt, eine Berufungspolitik, die
Forschungsfahigkeit zum Kriterium macht, der in Kontroversen
durchgesetzte Primat der je disziplinaren Theorie und Methode, die
Starkung von Medizin und Naturwissenschaften durch laborbasierte
Arbeit, die administrative Vorgabe, dass "Enzyklopadie und
Methodologie" in der Lehre verbindlich sind, und der Konsens, dass
Bildung durch Teilhabe an einzelwissenschaftlicher Forschung
geschieht. In den grossen Entwurfen bei Schleiermacher und Savigny,
Bockh und Niebuhr, Ranke und Droysen, Hirt und Curtius, Hoffmann
und Magnus, Virchow und Helmholtz werden in Berlin in seltener
zeitlicher und sozialer Dichte die Grundlagen von Theologie und
Jurisprudenz, Philologie und Historiographie, Medizin und
Naturwissenschaften neu gelegt, die Philosophie verandert sich von
der System- zur Forschungsreflexion die Universitat findet ihre
moderne Gestalt."
Als im Jahre 1710 weit vor den Toren der Stadt Berlin ein
Pestlazarett errichtet wurde, konnte niemand ahnen, dass hieraus im
Lauf der kommenden drei Jahrhunderte ein Weltzentrum der Medizin
entstehen wurde. Die bald als Armenkrankenhaus genutzte Einrichtung
war schnell uberfullt, die Geldnot chronisch, die baulichen
Verhaltnisse mehr als schlecht, und die Behandlung der Kranken lag
in der Hand von abkommandierten Militarchirurgen, die in der Regel
nicht Medizin studiert, sondern nur ihr Handwerk erlernt hatten. Am
Ende des 18. Jahrhunderts behaupteten Spotter nicht ohne Grund,
dass die Charite in Berlin das leiste, wofur man in anderen Landern
der Erfindung des Herrn Guilottin bedurfe. Weitere hundert Jahre
spater war die Charite eines der begehrtesten Reiseziele der Arzte
aus aller Welt. Man kam nach Berlin nicht nur, um die beruhmten
theoretischen Institute der Universitat oder die
Universitatsklinika der Fakultat kennen zu lernen. Auch die Charite
war inzwischen ein Hort der klinischen Wissenschaften geworden:
Neue Disziplinen entstanden, klinische Laboratorien wurden
errichtet, und in ihren Abteilungen und Kliniken wurde das
praktiziert, was bald uberall als moderne Krankenhausmedizin gelten
sollte. Gute funfzig Jahre spater war vom einstigen Glanz wenig
geblieben. Die Vertreibung der judischen Intelligenz hatte auch die
Charite schwer gezeichnet, der Krieg Ruinen und Trummer
hinterlassen, und die einsetzende Teilung Deutschlands entzog ihr
manche der verbliebenen Ressourcen. Der vorliegende Band reduziert
die Geschichte der Charite nicht auf die Vorgeschichte der heutigen
Universitatsmedizin, sondern beleuchtet Entwicklungsphasen dieser
eigentumlichen Berliner Einrichtung, die erst nach dem Zweiten
Weltkrieg der Medizinischen Fakultat zugeschlagen wurde, aus der
Perspektive moderner Krankenhausgeschichte. Jenseits der bekannten
Anekdoten und oft wiederholten Vignetten werden neue
Forschungsergebnisse anhand von Fallgeschichten prasentiert. Der
Blick gilt der Herausbildung der klinischen Medizin zwischen der
Entwicklung der theoretischen Wissenschaften einerseits und den
Bedurfnissen einer wachsenden Industriestadt andererseits: Wie
haben wissenschaftliche Erkenntnisse, aber auch
militarmedizinisches Zweckdenken, den Alltag der entstehenden
Krankenhausmedizin gepragt? Eingegangen wird unter anderem auf die
Anfange der Padiatrie, die Herausbildung der wissenschaftlichen
Psychiatrie, den Einzug der Labormedizin, die Entwicklung
chirurgischer Versorgungstechniken oder auf den Umgang mit
venerisch Erkrankten. Auch die dunklen Kapitel der Charite kommen
hierbei nicht zu kurz: Die Anpassung, ja Anbiederung vieler Arzte
an die herrschenden Systeme und ihr schweigender Opportunismus
werden ebenso thematisiert wie die oftmals uberraschenden
Kontinuitaten zwischen dem Dritten Reich und den muhsamen
Neuanfangen nach 1945."
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