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Jede Zeit hat ihre Diskurse, an denen epochenspezifische Argumentations- und Denkweisen erkennbar werden. Vor mehr als dreihundert Jahren, Ende des 17. Jahrhunderts, hatte Frankreichs Koenig Ludwig XIV. damit begonnen, seine Expansionspolitik erneut kriegerisch zu verstarken. Dies rief zahlreiche Publizisten, Pamphletisten, Drucker und Verleger auf den Plan, und ein zeitlich wie raumlich ausgedehnter Diskurs uber die Expansionsbestrebungen Frankreichs entstand. Teil dieses Diskurses ist die Flugschrift Franckreichs Geist von 1689, die sowohl in vielfaltigen deutschsprachigen Varianten als auch in Ausgaben in den wichtigsten europaischen Sprachen weite Verbreitung fand. Sie ist so ein besonders pragnantes Beispiel dafur, wie ein kritischer Diskurs in den Massenmedien dieser Zeit gefuhrt wurde. Daher eignet sich diese Flugschrift besonders fur die Analyse beispielhafter Auspragungen von Begrundungsmustern und argumentativem Handeln in der fruhen Neuzeit.
In diesem Band werden neue Ergebnisse vorgestellt, die anlasslich des 700. Geburtstages Giovanni Boccaccios 2013 im interdisziplinaren Dialog zwischen Literaturwissenschaftlern, Historikern, Sozial- und Medienwissenschaftlern in Marburg ausgetauscht wurden. Vor allem sein Hauptwerk in Volgare, das Decameron (Zehntagewerk, eine geistreiche Anspielung auf das Hexameron, das Sechstagewerk der Schoepfungsgeschichte), hat die Literatur und Kunst Europas nachhaltig beeinflusst. Gepragt von zwei Kulturen, dem kommunalen Leben der Republik Florenz und der franzoesischen Hofkultur Neapels, gelingt es Boccaccio, zuvor getrennte Welten, antike Philosophie und hoefische Liebe, lateinische und volkssprachliche Diskurse zusammenzufuhren.
Thema des Bandes ist die Kontinuitat antiker Traditionen in der europaischen Literatur des Mittelalters und der Neuzeit. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der produktiven Aufnahme und Weiterentwicklung mythologischer Stoffe in verschiedenen nationalsprachlichen Literaturen Europas, ein weiterer auf der ideengeschichtlichen und literarischen Tradition, insbesondere auf Fragen der Poetologie und AEsthetik sowie der Aufnahme von Gattungsmustern. Dabei wird nachgezeichnet, in welchen Formen die Antike auf die Literatur des Mittelalters und der Neuzeit einwirkte. Die leitende Frage gilt der Konstitution, Vergewisserung oder auch Neubestimmung der eigenen Identitat in der bewussten und produktiven Auseinandersetzung mit dem antiken Erbe.
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