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Aussageberechtigte und richtungsweisende Publikationen zur Ge- burt aus ethnomedizinischer Sicht sind bisher leider nur sparlich vorhanden. Hinzukommt, daB diese Veroffentlichungen an den ver- schiedensten Stellen erschienen und daher fur die Interessenten we- gen der Unubersehbarkeit meist unbekannt oder unauffindbar blieben. Es ist daher sehr zu begruBen, daB den Herausgebern der keineswegs leicht realisierbare Plan gelang, die auf der "IV. Internationalen Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft Ethnomedizin uber traditionelle Geburtshilfe und Gynakologie" gehaltenen Referate und Vortrage fur eine interdisziplinare Leserschaft zusammenzustellen und in Buch- form herauszugeben. Aus der Vielzahl der Beobachtungen und Uberlegungen der einzelnen Autoren wird der interessierte Leser - das ist keineswegs nur der Gynakologe, sondern eine breitgefacherte Gemeinde - gravierende Ge- sichtspunkte als Diskussionsbasis fur das Problem "Die Geburt in un- serer Gesellschaft" finden, und zwar vornehmlich im Sinne eines kul- turellen Systems. Man darf ohne Zwang feststellen, daB auch die Geburtshilfe in je- der Kultur historisch geformt und uberliefert wurde und daher nicht aus rein naturwissenschaftlichen-medizinischen, sondern mit gleicher Gewichtigkeit aus kultur-anthropologischen Aspekten zu analysieren und zu verstehen ist.
"Kein Antlitz in einem Sarg hat mir je gezeigt, daB der Eben-Verstorbene uns vermiBt. Das Gegenteil davon ist Uberdeutlich . . . Der Verstorbene UberlaBt mich der Erinnerung an meine Erlebnisse mit ihm . . . Er hingegen, der Verstorbene, hat inzwischen eine Erfahrung, die mir erst noch bevorsteht, und die sich nicht ver- mitteln laBt - es geschehe denn durch eine Offenbarung im Glauben. " Aus der Totenrede von Max Frisch fUr Peter Noll Die Ergebnisse einer kulturvergleichenden Analyse zu Sterben und Tod, die sich die 7. Internationale Fachkonferenz Ethnomedizin im April 1984 zur Aufgabe gemacht hatte, werden hier einer breiteren Offentlichkeit zuganglich. Die Beitrage konfrontieren uns mit einer tiberwaltigenden Ftille kultureller Zeugnisse tiber den Umgang mit Sterbenden und tiber die Symbolisierung des Todes. Ungeachtet der un- vermeidlichen Beschranktheit und Zufalligkeit der Auswahl, trotz der in der Sache liegenden Verfremdung wissenschaftlich-methodischer Dar- stellung ftihlt sich der Leser unmittelbar angesprochen, ja, gefes- selt durch die Intensitat, mit der zu allen Zeiten und in allen Kulturen Sterben und Tod kulturell gestaltet, symbolisch gedeutet und im mitmenschlichen Umgang erfahren wurde. DaB uns Menschen Ster- ben und Tod gemeinsam sind, daB jede Zeit, jede Kultur, aber auch jeder einzelne sich dieser anthropologisch gemeinsamen Situation stellen muB, sie ftir sich deuten und verarbeiten muB, dtirfte wohl auf keine andere Weise so sinnfallig und tiberzeugend hervortreten wie in dem hier vorgelegten Tagungsbericht.
9 enarzt, NAAKTGEBOREN ist Zoologe) die Frage nach dem Verhaltnis zur Psychophysiologie der Geburt und der modernen technologisierten Ge- burtshilfe auf. Diese beiden Beitrage verdeutlichen wohl am besten, wie unbekannt die sozio-psycho-physiologischen Zusammenhange der Ge- burt noch sind, und welch breites, interdisziplinares Forschungsge- biet sich hier eroeffnet hat. Die These beider, dass es einer Frau un- ter der Geburt erlaubt sein muss zu regredieren, um sich auf die Vor- gange in ihrem Koerper harmonisch einstellen zu koennen, wird einleuch- tend vertreten. Dass die Frau dazu vor allem eines absoluten Vertrau- ens in sich selber und in ihre Umgebung bedarf, unabhangig davon, ob diese ein neusteinzeitliches Geburtshaus, ein niederlandischer Privathaushalt oder ein deutscher Kreissaal ist, ist einsichtig. Dies ist insofern von besonderem Interesse, als in vielen traditio- nellen Ethnien, wie die Beitrage aus Neuguinea, Yukatan, den Karoli- nischen Inseln, Korea, Madagaskar, Ungarn etc. zeigen, diese Ver- trauenshaltung und diese Regression der Gebarenden durch die Umge- bung systematisch gefoerdert wird. Die vermuteten Zusammenhange zu 'Bonding' und Stillfahigkeit sind bedenkenswert. Um diese Zusammen- hange und ihre Wirkungen auch in bezug auf die sozio-psychosomati- sche Physiologie und Pathologie der Geburt zu verstehen und transkul- turell vergleichend beurteilen zu koennen, bedarf es in der Tat des Konzepts der Geburtshilfe als kulturellem System.
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