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Als ich am Anfang des Jahrhunderts begann, mich mit der
Nierentatigkeit zu beschaftigen, war die sogenannte
Sekretionstheorie allgemein anerkannt, welche eine Filtration im
Glomerulus leugnete. Damals lieferte ich den Beweis einer
Filtration daselbst; er ist unbeachtet geblieben. Nun ist
allmahlich unter dem Einfluss von CUSHNY, der fur die Harnbereitung
durch alleinige Filtration und Ruckresorption eintrat, und von
REHBERG, welcher die rechnerische Behandlung dieser Art der
Harnbereitung durchfuhrte, ganz allgemein diese Theorie herr schend
geworden und auch der Nachweis von Sekretionsprozessen, wie der von
Harnstoff, Harnsaure oder Sulfat und in neuerer Zeit von Phenolrot,
Perabrodil und p-Aminohippursaure hat diese Theorie nicht
erschuttern koennen, und so geht durch die Literatur die Annahme
einer starken Filtration und einer auswahlenden Ruckresorption,
fast wie ein Dogma, als Grundvorstellung der Harnbereitung
hindurch. Heute kann ich mich wiederum dieser herrschenden Meinung
nicht anschliessen. Dass neben der eigenen Auffassung dem Charakter
eines Lehrbuches entsprechend auch die anderen Meinungen zur
Darstellung gekommen sind, soll aber besonders betont werden. Es
kann bei meiner von der ublichen Anschauungsweise abweichenden
Meinung nicht ausbleiben, dass ich Bedenken gegen die Auslegung
anderer Autoren aussere. Ich bitte das nicht so zu verstehen, als
unterschatze ich den Fleiss, die Umsicht und den Scharfblick
anderer Untersucher und ihre Geschicklichkeit in der An wendung
neuer Versuchsanordnungen, auch wenn ich Bedenken gegen ihre Aus
legung aussere. Die Belege der Befunde sind im Literaturverzeichnis
angefuhrt, um ein Na'ch schlagen der Originale und ein Weiterfinden
im Schrifttum zu ermoeglichen.
Wenn wir im folgenden den Versuch unternehmen, die Funktionen der
ge- sunden und kranken Niere einer Beschreibung und deutenden
Erklarung zuzu- fuhren, so geschah dies - wie stets in der Biologie
-> vorerst nach der Methode der Zergliederung. Es erwies sich
jedoch beinahe von selbst noch ein anderer Weg als beschreitbar,
namlich derjenige einer zusammenfassenden Bearbeitung des Stoffes,
damit ein Ausgangspunkt gewonnen sei, V orstellungen zu formen und
zu einem Bild zusammenzufiigen, dessen Berechtigung an dem
Vergleich mit den analytischen Daten bewertet werden kann. Es hat
uns nicht gelockt, eine vollstandige Darstellung aller vorliegenden
Befunde und Ansichten uber Nierenfunktionen in gesunden und kranken
Tagen zu geben, da sie uns oft als uberflussiger, ja sogar
hinderlicher Ballast, zumindest als zu vernachlassigende Fakten
erschienen. Diese uns willkommene Beschrankung kam der erstrebten
Knappheit der Darstellung zugute. Des weiteren ist uns aber
sicherlich eine Reihe von wichtigen Tatsachen entgangen; dieser
Mangel hat zum guten Teil seinen Grund in dem oft undurchdringbaren
Gestrupp der Literatur, zum anderen in der teilweisen
Unzuganglichkeit auslandischer Arbeiten. Und so wird der Kenner des
Gebietes zweifellos eine Reihe von unverzeihlichen Lucken entdecken
mussen, urn deren SchlieBung wir bemuht sein werden.
1m Wintersemester 1908/09 veranlaBte mich Herr Geheimrat Knorr in
Jena, eine Vorlesung fUr Chemiker iiber die Wirkungsweise che
mischer Substanzen auf den Organismus abzuhalten, um die Che miker
mit den Gefahren bekannt zu machen, welche ihnen bei ihren Arbeiten
drohen. Eine solche Darstellung der Giftwirkung muB natur gemaB von
physiologischen Gesichtspunkten ausgehen, welche dem Chemiker fremd
sind, muB also ein Gebiet wissenschaftlicher Forschung in leicht
verstandliche Form fassen. Von den mancherlei Bedenken, die sich
einer derartigen Darstellung entgegenstellen, ist wohl dasjenige am
bedeutendsten, es konne sich eine solche eben etwas populare Behand
lung doch nul' an der Qberflache halten und eine Bereicherung des
Horers an tieferem Wissen nicht herbeifiihren, weil nul' einige
besonders an ziehende Tatsachen zur Abhandlung gelangen konnten.
Auf der anderen Seite verfiigt del' Chemiker iiber eine allgemeine
naturwissenschaftliche Vorbildung, welche es gestattet, an
chemische und physikalische Tat sachen anzukniipfen, und welche die
Grundbedingung fUr ein Verstandnis abgibt. Es war daher der Boden
fUr einen Aufbau bei del' Darstellung gegeben und nul' das Material
des Gebaudes selbst muBte etwas leichter gewahlt werden; und es war
reizvoll, zu versuchen, ob sich eine Form finden lieBe, welche ein
allgemeines Verstandnis fUr die Wirkungsweise der chemischen Stoffe
auf den Organismus iibermittelt, ohne allzusehr an der Oberflache
zu bleiben. Denn nur ein Eindringen in die Art und Weise des
Zustandekommens einer Giftwirkung wird das Ziel erreichen lassen,
eine wirksame Warnung vor den Gefahren zu geben, wie sie die
Kenntnis vom allgemeinen Giftcharakter einer Substanz nicht dar."
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