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Ein echtes Verstandnis fur die moderne Mathematik ist nur moglich, wenn man etwas uber die Geschichte der exakten Wissenschaften weiss. Der Autor hat es in diesem Buch unternommen, das Wesentliche am Leben und Werk einzelner Forscher deutlich werden zu lassen. Dem Leser wird ein kurzweiliger Gang durch die Geschichte der Mathematik von den Griechen bis zu den grossen Mathematikern unseres Jahrhunderts geboten."We obtain indeed a glimpse into the way these mathematicians thought." (D. J. Struik in "Mathematical Reviews" 92 a)
Das Buch enthalt 185 vollstandige chronologisch geordnete Briefe Cantors aus den verschiedenen Perioden seines Lebens, von denen ein grosser Teil erstmals veroffentlicht wird. Aus ihnen wird die Entwicklung des Cantorschen Werkes ebenso deutlich wie die Stellung zu seinen Kollegen und das Ringen um die Anerkennung seiner Theorie. Durch die Vollstandigkeit der Briefe und die damit verbundene Einbeziehung auch privater Passagen gewinnt man daruber hinaus Einblicke in Bereiche dieses Forscherlebens, ohne die man die vielschichtige Personlichkeit Cantors kaum annahernd erfassen kann. Man erkennt, dass manches an dem bisherigen "Cantorbild" revisionsbedurftig ist oder zumindest differenzierter gesehen werden muss. Die den Briefen beigegebenen erganzenden und erlauternden Kommentare enthalten haufig Passagen aus Antwortschreiben oder weiteren Briefen Cantors, die fur das Verstandnis der behandelten Sachverhalte hilfreich sind oder sogar neue Aspekte erkennen lassen. Ferner weisen sie auf Zusammenhange zwischen den Briefen hin. Eine so ausgiebige Kommentierung ist bei wissenschaftlichen Briefsammlungen nicht sehr verbreitet. Ebenfalls hervorzuheben ist das sorgfaltig zusammengestellte Sachverzeichnis, das zugleich Hinweise auf die in den Briefen behandelten Themen gibt. Man gewinnt mit diesem Werk eine "Autobiographie" Cantors, die zusammen mit den von Zermelo herausgegebenen "Gesammelten Abhandlungen" (auf die haufig verwiesen wird) ein umfassendes Bild von Leben und Werk dieses grossen Forschers liefert.
Die Hilbertschen Raume mit reproduzierendem Kern gehoren zu jenen mathematischen Strukturen, die sich in vielen Gebieten der Analysis anwenden lassen. Manche Klassen von analytischen Funktionen (von einer oder mehreren komplexen Veranderlichen), aber auch gewisse Mengen von L6sungen partieller Differentialgleichungen erweisen sich als Hilbertsche Funktionenraume, die einen reproduzierenden Kern besitzen. Bald nach Erscheinen der grundlegenden Arbeiten von BERGMAN und BOCHNER im Jahre 1922 (s. Literaturverzeichnis) wurde klar, daB die Einffihrung von "Kernfunktionen" besonders fUr die Theorie der konformen Abbildung fruchtbar werden muBte. Wahrend in der von KOEBE und seinen Schiilern begrfindeten Theorie viele Satze den Cha- rakter reiner Existenzaussagen hatten, gelang es mit Hilfe der Kern- funktionen, die klassischen Abbildungsfunktionen explizit darzustellen und damit ihre effektive Berechnung zu erleichtern. In frfiheren Darstellungen fiber die Kernfunktionen hat man meist die Bedeutung der neuen Betrachtungsweise ffir die einzelnen Disziplinen getrennt herausgestellt. Bei einer so1chen fibergreifenden TheOl"ie ist es aber auch moglich, von den allgemeinen Eigenschaften Hilbertscher Funktionenraume mit Kernfunktion auszugehen. Besonders die um- fassende Arbeit von ARONSZAJN [1] hat eine so1che Darstellungsweise nahe gelegt. Sie macht es moglich, Wiederholungen zu vermeiden und allgemeine Eigenschaften der Kernfunktionen als so1che herauszustellen. Urn diese Schrift auch fUr Student en der mittleren Semester lesbar zu machen, beginnen wir mit einem Kapitel fiber die allgemeinen Hilbertschen Raume. Wir beschranken uns dabei auf den Beweis so1cher Satze, die ffir die hier behandelte Theorie gebraucht werden.
Es ist eine alte Weisheit: Wenn man das Werk von Dichtem und Philo sophen verstehen will, tut man gut, sich fiir ihre Biographie zu interessieren. Bei den Vertretem der exakten Wissenschaften, insbesondere bei den Mathe matikem, sucht man kaum nach Beziehungen zwischen Leben und Werk. Unter den groBen Forschem der Mathematik gibt es Konservative und Sozialisten, Atheisten und Christen aller Konfessionen. Es scheint, daB erfolgreiche Arbeit in der Wissenschaft von den formalen Systemen fur Ver treter aller Weltanschauungen moglich ist. Wer sich aber eingehender mit den Wandlungen des mathematischen Den kens beschaftigt, wird - schon bei den Pythagoreem und bei Platon - Ein wirkungen der mathematischen Forschung auf weltanschauliche Konzep tionen erkennen. Noch deutlicher wird dieser Zusammenhang an der Wende zur modemen Mathematik. Schon die Entdeckung der nichteuklidischen Geometrie im 19. Jahrhundert hatte zu einer Diskussion tiber die Grund lagenprobleme der Mathematik geftihrt. Noch starker aber haben die Anti nomien der Mengenlehre dazu beigetragen, daB vielen Mathematikem die klassische (von Platon beeinfluBte) Auffassung tiber das Wesen ihrer Wissenschaft problematisch wurde."
Wer die Grundlagenprobleme der modemen Mathematik verstehen will, muB sich zuerst mit der Geschichte der Mathematik befassen. Der Sinn des modemen Formalismus etwa geht einem an den Schwierigkeiten auf, die der klassischen Konzeption yom Wesen der Mathematik im 19. Jahr hundert erwuchs. Es ist aber fiir den modemen Mathematiker nicht so ganz leicht, einen Zugang zur Geschichte seiner Wissenschaft zu finden. Die meisten Schriften zu diesem Thema sind um eine umfassende und nichts Wichtiges iibersehende Darstellung bemiiht. Auf diese Weise nehmen in den diinnen Biichem die Aufzahlungen von Namen und Jahreszahlen einen relativ breiten Raum ein. Aber auch in den weiter angelegten Schriften kann iiber die Leistungen der einzelnen Forscher immer nur einigermaBen summarisch berichtet werden. Es erscheint deshalb der Versuch berechtigt, die gewiB wichtigen und unentbehrlichen Gesamtdarstellungen (einer Zeit, einer Personlichkeit) durch einen andersartigen Zugang zur Geschichte der Mathematik zu erganzen. Wir verzichten ausdriicklich auf Vollstandigkeit und wollen versuchen, an einzelnen ausfiihrlicher dargestellten Exempeln die Denk weise der Mathematiker vergangener Jahrhunderte lebendig werden zu lassen."
Im Jahrhundert der Naturwissenschaften wachst der Anwendungsbereich mathematischer Methoden standig. In den letzten Jahrzehnten haben die 50= ziologen, die Psychologen und jungere Vertreter der Erziehungswissenschaft begonnen, die "Wissenschaft von den formalen Systemen" in ihren Diszi= plinen anzuwenden. Unter diesen Umstanden ist die Frage berechtigt, wie denn die intensive Beschaftigung mit der Mathematik die Denkweise des Menschen verandert. Man weiss: Der mathematische Unterricht schult die "raumliche Anschauung" und die Fahigkeit zu logischem Denken. Aber die moderne Mathematik hat Moglichkeiten der Menschenbildung aufzuweisen, die sie in einem ganz neuen Sinne zum "Wecker der Erkenntnis" macht, anders noch als in den Tagen Platons. Davon soll in dieser Schrift die Rede sein. Vieles, was uber die moderne Mathematik zu sagen ist, gilt auch fur die exakten Naturwissenschaften. Wir werden deshalb (z. B. in dem Kapitel uber die Objektivitat) auch auf diese Bezuge eingehen. Die Frage nach der Menschenbildung durch die Mathematik ist nicht nur fur Lehrer an Schulen und Hochschulen bedeutsam. Sie geht auch Padagogen und Soziologen an. Wir haben versucht, unsere Darstellung auch fur Nicht. mathematiker verstandlich zu machen. Naturlich mussten wir immer wieder Beispiele bringen, um die Moglichkeiten des Unterrichts an Schule und Uni= versitat zu verdeutlichen. Wer von den geisteswissenschaftlichen Lesern hier nicht folgen kann, mag diese Seiten uberschlagen. Die manchen Zeitgenossen so unheimlichen mathematischen Formeln sind ja durch die Art der benutz= ten Typen und den Schriftsatz schon von weitem erkennbar."
In einer Zeit, in der die mathematische Forschung standig neue Theorien entwickelt, erscheint der Hinweis nicht iiberfliissig, daB es auch am Rande der elementaren Geometrie noch ungeloste Probleme gibt. Wir denken dabei vor allem an solche Fragestellungen, die so einfach sind, daB sie auch einem interessierten Laien verstandlich gemacht werden konnen. Freilich, so ganz einfach sind nur die Fragestellungen. Die Losungsversuche, die gemacht worden sind, die Beweise, die in die Nahe der gestellten Probleme fUhren, erfordern zum Verstandnis doch einiges an mathematischer Bildung, etwa so viel, wie man bei einem Studenten der mittleren Semester voraussetzen darf. Bei einigen beriihmten Problemen, die die Mathematiker jahrtausende lang beschaftigten, hat die Forschung in den letzten Jahrzehnten zu der Einsicht gefiihrt, daB sie unlosbar sind. Wir wollen auch einige solcher Fragestellungen in unsere Betrachtung einschlieBen. So stehen uralte klassische Probleme neben solchen, die bisher in der Buchliteratur gar nicht oder nur am Rand erwahnt wurden. Wir haben uns bemiiht, auch bei den klassischen Pro blemen bekannte Methoden zu variieren oder die Fragestellung nach der einen oder andern Seite zu erweitern."
Diese Schrift ist aus Vorlesungen entstanden, die fur einen weiten Kreis von Studierenden bestimmt waren. Nicht nur die Mathematiker sollten einen uberblick bekommen uber die Fulle der Probleme, die die mathe= matische Grundlagenforschung stellt. Es sollte versucht werden, im Rahmen des "studium generale" das Verstandnis fur die "mathematische Denkweise" bei Studierenden anderer Fachrichtungen zu wecken. Und so soll auch in diesem Buch eine Sprache gesprochen werden, die interessierten Nichtmathematikern verstandlich sein kann. Freilich - da unsere Aufgabe uns von der Ideenwelt Platons und den Beweisen Euklids bis an die modernen Entscheidungsprobleme fuhrt, muss schon mit der Bereitschaft des Lesers gerechnet werden, ernsthaft mitzudenken und vielleicht auch hier und da etwas verschuttetes Schulwissen auszugraben. Mathematiker konnen durch diese Schrift angeregt werden, sich mit den philosophischen Fragen zu befassen, die am Rande ihrer Arbeit immer wieder auftauchen. Der kurze uberblick uber die Grundlagenprobleme kann naturlich dem Fachmann dieses Gebietes nichts Neues bringen. Vielleicht ist es aber doch den Studenten des ersten Semesters willkommen oder auch solchen Mathematikern, die ihr Studium vor langerer Zeit abgeschlossen haben. Die in eckigen Klammern gegebenen Zahlen verweisen auf das nach Kapiteln geordnete Literaturverzeichnis am Schluss des Buches, das zu weiterer und eindringenderer Arbeit an den Grundlagenproblemen an= regen soll. Herrn Prof. Dr. Sprague mochte ich fur seine wertvollen Anregungen bei der Durchsicht des Manuskriptes danken, unserm Assistenten Herrn Michael Dorr fur die Anfertigung des Registers und der Zeichnungen."
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