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Eigentlich ist es zum Verwundern: obwohl die sogenannten Massenme
dien - Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen vor allem -
uns immer mehr Angebote an Unterhaltung, Information, Kommentierung
und sogar Bildung machen, werden wir ihrer nicht recht froh. Es
gibt wohl kei nen Bundesburger, den nach einem langen Fernsehabend
nicht manch mal der Zweifel anruhrt, was er denn nun eigentlich
gewonnen habe. Hatte er nicht lieber spazierengehen, lesen oder mit
Freunden und Nachbarn re den sollen? Hat sich ein langer Abend vor
dem "Flimmerkasten" gelohnt? Wahrend Erwachsene sich in der Regel
noch zubilligen, mit den Medien und ihren lockenden Angeboten
fertig zu werden, haben sie doch Sorgen bei Kindern und
Jugendlichen. Wenn schon Eltern oft nicht aufhoren kon nen, "wenn
es am schonsten ist," wie sollen dann Kinder dies schaffen? Im
ubrigen: wer gern viel fernsieht, findet schnell gute Grunde, dass
dies auch fur seine Kinder nutzlich sei: konnen sie sich nicht
politisch informie ren und durch gute Filme qualitatvoll
unterhalten lassen? Sind die Medien insofern nicht haufig sogar
hilfreiche Miterzieher? Der amerikanische So ziologe Urie
Bronfenbrenner hat schon vor Jahren gesagt, Familien be standen
heute aus Vater, Mutter, den Kindern und einem Fernsehapparat. Das
Ensemble ist also um ein technisches Gerat erweitert worden, dem
ein erheblicher Erziehungseinfluss zugesprochen wird. In
Wirklichkeit ist inzwischen alles noch viel komplizierter geworden.
Zwar wissen wir, dass gerade Jugendliche keineswegs die
fleissigsten Fernsehzu schauer sind - jedenfalls in der Regel."
In seinem jetzt wieder entdeckten Buch Die Antiquiertheit des
Menschen hat Gunther Anders bereits 1956 aufgrund amerikanischer
Erfahrungen von der Verwandlung der Wirklichkeit gesprochen, die
die Massenmedien betreiben. Die Beschreibung des Menschen als homo
viator (Gabriel Marcel), als Wesen, das durch die Welt fahrt und
sie dadurch erobert, wird inzwischen durch den im Sessel sitzenden
Rezipienten zwar nicht konterkariert, aber doch in Frage gestellt,
weil es sich nun nicht mehr um eine wirkliche, leibliche Bewegung
handele, sondern die Medien dem Menschen Omniprasenz auch dann
verschaffen, wenn er sich gar nicht mehr bewegt. Fur Anders ist
diese neue Art des Daseins gekennzeichnet durch eine Beziehung zur
Welt von so abgrun- diger Verkehrtheit, dass wir gar nicht erfassen
koennen, was sich ver- andert hat. Denn, noch einmal Anders: Obwohl
wir in Wahrheit in einer entfremdeten Welt leben, wird uns die Welt
so dargeboten, als ob sie fur uns da ware, als ob sie unsere ware
und unseresgleichen. Als solche 'nehmen' (= betrachten und
akzeptieren) wir sie, obwohl wir zu Hause im Fauteuil sitzen; d. h.
obwohl wir sie nicht effektiv, wie das 'einfach fressende Tier'
oder der Eroberer nehmen und sie nicht effektiv zu unserer machen
oder machen koennen; jedenfalls nicht wir, die durch- schnittlichen
Radio- und Fernseh-Konsumenten. Vielmehr 'nehmen' wir sie so, weil
sie uns so in Form von Bildern serviert wird. Dadurch wer- den wir
zu voyeurhaften Herrschern uber Weltphantome.
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