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Die stadtische Lebensweise ist fur unseren Alltag langst
selbstverstandlich. Und sie ist - weltweit - hoch attraktiv.
Studierende, Singles, junge Familien, Gefluchtete, Menschen jeder
Altersgruppe und jeglicher Herkunft wollen urban leben. Die
stadtische Lebensweise hat sich zu einer Lebenskonstruktion, zu
einem Urbanitatsnarrativ entwickelt, aufgeladen mit Erwartungen fur
ein besseres Leben, mehr Anerkennung und neue gesellschaftliche
Moeglichkeiten. Gleichzeitig steht der urbane Raum aber auch fur
Segregations- und Homogenisierungstendenzen, fur uberteuerte Mieten
und investoren gesteuerte Gentrifizierung. Beklagt wird ein Mangel
an wohnortnahen Arbeitsmoeglich keiten, das Verschwinden von
lokalen Geschaften und Dienstleistungen. Es ist ein massives
Konfliktpotential, das jetzt durch die Auswirkungen des
Klimawandels zusatzlich forciert wird. Statt endlich den bislang
wie selbstverstandlich gelebten Alltag zu hinterfragen, werden rein
technologische Massnahmen zeitgeistkonform propagiert oder es wird
alles gleich rein profitorientierten Investoren uberlassen. Oder
man beschwoert einfach den status ante und sucht sich Sundenboecke
fur Fehlentwicklungen. In dieser zunehmend brisanten Situation ware
es entscheidend, sich Klarheit zu verschaffen uber das, was eine
Stadtgesellschaft mitbringt, was sie ausmacht und worin ihr
nachhaltiges Potential besteht, und dann die zunehmenden
gesellschaftlichen Herausforderungen gemeinsam kreativ anzugehen.
Die (Re-)Konstruktion von lokaler Urbanitat kann dazu ein erster
Schritt sein.
Urbanitat ist langst zu einem weltweiten Narrativ geworden und
motiviert die Menschen mehr und mehr, auf urbanes Zusammenleben und
die damit erhofften neuen Moeglichkeiten zu setzen. Das Narrativ
verspricht die Verknupfung von Arbeiten, Wohnen und Versorgung in
einem praktikablen, alltagstauglichen und uberschaubaren
Lebensumfeld. Das vorliegende Buch bietet kurze Beitrage von
Praktiker*innen und Wissenschaftler*innen aus den Disziplinen der
Stadtforschung und Stadtentwicklung zu den Forderungen, die aus der
jeweiligen individuell-fachlichen Sicht heraus zu stellen sind,
damit das Konzept einer Stadt der kurzen Wege und damit eine
verbesserte und zukunftsfestere Lebensqualitat im urbanen Quartier
umgesetzt werden kann.
Anfang des Jahres 2008 demonstrierten vor allem junge
Kalkerinnen und Kalker mit Migrationshintergrund uber mehrere Tage
gegen ihre Benachteiligung in der Einwanderungsgesellschaft. Dazu
fanden Demonstrationen, spontane Treffen, Sitzblockaden,
Mahnwachen, Diskussionsrunden und weitere Aktionen statt. Die
Ereignisse wurden in den Medien auf stadtischer, regionaler und
nationaler Ebene diskutiert. In dem Forschungsprojekt ging es unter
anderem darum, die Perspektiven und Reaktionen der Beteiligten der
Demonstrationen und der verschiedenen Akteurinnen und Akteuren im
Stadtteil zu untersuchen. Ziel des Projektes war, an dem konkreten
Beispiel der Kalker Ereignisse das Potenzial
zivilgesellschaftlicher Aktionen von Menschen mit
Migrationshintergrund aufzuzeigen."
Urbane Raume sind Transit- und Kontaktraume. Hier treffen
Differenzen aufeinander, werden Lebensentwurfe ausgehandelt,
globale Entwicklungen auf vielfaltige Weise lokal interpretiert und
in den urbanen Alltag ubertragen. Dabei ist die Grossstadt nicht
nur Hintergrund oder Buhne solcher Prozesse, sondern zugleich
Generator und Katalysator von Mobilitat. Die Beitrage dieses Bandes
zeigen diese mobile Vielfalt und den gesellschaftlichen sowie den
politischen Umgang mit ihr aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
Diese Textsammlung prasentiert sich als Beitrag zu einer
interdisziplinaren und international vergleichenden Klarung des
heute inflationar gebrauchten Begriffs Diversitat. Vorgestellt
werden theoretische Ansatze und Ergebnisse empirischer
Untersuchungen zur Wahrnehmung und zu Strategien des "Management"
von Diversitat im urbanen und im institutionellen Rahmen sowie in
der virtuellen Welt der Medien."
Einleitung Einleitung Was heisst hier Parallelgesellschaft? 11 Was
heisst hier Parallelgesellschaft? Zum Umgang mit Differenzen
Wolf-Dietrich Bukow/Claudia Nikodem/Erika Schulze/Erol Yildiz Die
Rede von der Parallelgesellschaft speist sich aus zwei sehr
unterschiedlichen Quellen, namlich einerseits aus der
Stadtforschung und andererseits aus einem migrationspolitischen
Alarmismus der Medien. Allerdings geben beide Quellen einzeln nicht
viel her, nur verknupft scheint daraus uberhaupt eine Debatte
entstanden zu sein. Dennoch bleibt es erstaunlich, dass sie sich
entfalten konnte und seit nunmehr gut acht Jahren sogar eine
betrachtliche Wirkung zeigt. Bis heute gibt es fast keine
systematische Auseinandersetzung mit Parallelgese- schaften und so
etwas ist wohl auch kaum zu erwarten, weil institutionell
geschlossene Gesellschaften in einer globalisierten
Weltgesellschaft kaum vorstellbar sind. Doch gehen wir lieber
langsam vor und kreisen die Thematik schrittweise ein. Dann wird
auch deutlich, an welcher Stelle die Beitrage dieses Sammelbandes
einhaken. Aus welchen Quellen wird hier geschopft? Wie oben erwahnt
kann man zunachst einmal zwei Quellen ausmachen, die e- zeln kaum
ertragreich genug sind, aber zusammen synergetische Effekte herv-
bringen."
Durch Migrationsprozesse, aber auch im Rahmen zunehmender
funktionaler Ausdifferenzierung und der Pluralisierung von
Lebensstilen haben sich gerade die Grossstadte zu multikulturellen
Formationen - nicht nur in ethischer Hinsicht - entwickelt. Auch
ist der offentliche Diskurs in Politik und Wissenschaft haufig von
einem Lamento uber den Zerfall der Stadte, der Rede von dem
"Scheitern der multikulturellen Gesellschaft" sowie der
Hervorhebung ethnisch-kultureller Differenzen als einem zentralen
gesellschaftlichen Problem gepragt.
Diesem Ansatz setzen die Autoren einen erweiterten
Multikulturalismusbegriff entgegen, der sich auf die stadtische
Vielfalt im weitesten Sinne bezieht. Zugleich wird hier vertreten,
dass es trotz Konflikten und Risiken, trotz Ausgrenzung und
Rassismus sehr wohl ein funktionierendes lebenspraktisches
Miteinander, eine Selbstverstandlichkeit im stadtischen
Alltagsleben, gibt, dass gerade die urbane Bevolkerung Kompetenzen
entwickelt hat, trotz spezifischer "privater" Differenzen
"offentlich" miteinander umgehen zu konnen."
Auf der Strasse, in den Zeitungen, im Rundfunk und im Fernsehen -
uberall wird mit dem "Turken," dem "Russen," dem "Asylanten," dem
"Deutschen" usw. argumentiert. Im Mittelpunkt solcher Argumente
steht dabei in der Regel die Vorstellung von gruppenspezifischen
Eigenschaften. Um welche besonderen Eigenschaften es sich dabei im
Einzelfall auch handeln mag, stets geht es um Eigenschaften von
grosster Geschlossenheit, entschiedener Un verwechselbarkeit,
besonderer Tiefe und betrachtlicher Ubiquitat. Sozialwis
senschaftlich formuliert haben wir es hier mit einer alltaglichen
Ethnizitats vorstellung zu tun. Es ist eine Vorstellung, die auch
in der Wissenschaft lange im Gebrauch war und es in manchen
Disziplinen sogar noch bis heute ist. Heute zeigt sich freilich
zunehmend, dass eine derartige Ethnizitatsvor stellung allenfalls
eine sehr problematische soziale Konstruktion darstellt.
Problematisch ist dabei nicht ihre konstruktive Grundstruktur.
Derartige Vorstellungen bestehen stets aus komplexen kulturellen
Gebilden, in denen die verschiedensten Zusammenhange uber die Zeit
hinweg ihre Spuren hinterlas sen haben. Problematisch ist die
gesellschaftspolitische Aufladung einer solchen mehr oder weniger
vagen und insgesamt eher spekulativen, im ein zelnen kaum noch
nachvollziehbaren Konstruktion. Und besonders problema tisch ist
deren ahistorische und ungesellschaftliche Handhabung. Hier werden
keine Vorstellungen erarbeitet und auf den Begriff gebracht.
Vielmehr werden die zuhandenen Ethnizitatsvorstellungen ohne zu
zogern aufgenommen und zur Erzeugung von Gruppen eingesetzt. Sie
erscheinen dabei zunehmend immun gegenuber konkreter
gesellschaftlicher Wirklichkeit wie gegenuber der Vergangenheit. Es
ist klar, dass hinter einem derartigen Ethnizitatsbegriff ein
bestimmtes poltisches Interesse regiert, das mit der Reduktion von
ganzen Gesellschaften auf bestimmte Abstammungsgemeinschaften
arbeitet."
Es ist jetzt schon einige Jahre her, daB einer der bekanntesten
Ethnologen, Claude Meillassoux, davor warnte, Arbeitsmigranten
vorrangig unter eth- 1 nologischer Perspektive zu sehen. "(Es ist)
nicht nur eine verfehlte Einsicht in die Realitiit, wenn versucht
wird, Arbeitseinwanderer in ihre EthniziHit einzubinden, vielmehr
stehen solche Versuche in vollkommener Ubereinstimmung mit einer
Politik der Nicht- integration von Arbeitseinwanderern und ihren
Familien. " Meillassoux kritisiert hier nicht direkt die
Ethnologie, sondern die ethnologische Handhabung der
Migrationsproblematik in fortgeschrittenen Industriegesellschaf-
ten. In w itgehender Ubereinstimmung mit der Social anthropology of
complex societies mochte er weg von einer
romantisierend-asthetisierenden, ja antiqua- risch anmutenden
Einstellung, wie sie nicht nur in dies em Zusammenhang be- 3 klagt
wird. Bei dieser Einstellung werde der Migrant verkannt, die ihn
kenn- zeichnenden Probleme wtirden eher verdeckt als erhellt. Die
kritisierte Sichtweise sei jedoch insofern interessant, als sie
eine bestimmte politische Linie des Um- gangs mit dem
Arbeitseinwanderer wiederspiegele. Nun haben wir es im vorliegenden
Zusammenhang nicht direkt mit ethnolo- gischen Arbeiten tiber den
Migranten zu tun, sondem einerseits mit sozial- wissenschaftlichen
und andererseits mit ganz alltaglichen Stellungnahmen. Aber was
Meillassoux kritisiert, gilt erst recht hier. Vielleicht gerade
weil es sich nicht urn ethnologisch fundierte Positionen handelt,
treten so etwas wie "Ethnologis- men" auf. Besonders in der
Bundesrepublik werden immer wieder ethnische Eckdaten in
ethnologischer Manier zur Grundlage der Diskussion gemacht. Man
behauptet, es seien vor allem die differenten kulturellen
Eigenschaften des Mi- granten, die seine Lage in der Bundesrepublik
so schwierig machten.
Die Bundesrepublik ist eine multikulturelle Gesellschaft. l Vnd
doch ist sie es nieht. Sie ist eine multikulturelle Gesellschaft,
die zumindest nach offizieller Version keine sein will, sondem naeh
wie vor und heute wieder ganz besonders von einem homogenen, ja
nationalen Gemeinwesen triiumt. Diese im Grunde ein- fache
Feststellung zu entschlusseln und deren folgenreiche
gesellschaftliehe Bedeu- tung aufzuzeigen ist das Ziel der
vorliegenden Arbeit. Es ist - so trivial diese Feststellung aueh
sein mag - ein schwieriges Vorhaben. Aber es ist auch ein wichti-
ges und dringend gebotenes Vnterfangen. Dies gilt nieht nur im
Blick auf die natiir- lieh ganz besonders betroffenen ethnischen
Minderheiten. Es gilt fOr jedes Gesell- schaftsmitglied, das sieh
unter solchen paradoxen Bedingungen tagtiiglich und ganz
lebenspraktisch zu orientieren hat und einen Standpunkt beziehen
muB. Vnd dies gilt besonders fur den Sozialwissenschaftler, der in
einem speziellen MaS, namlich als Wissenschaftler,
gesellschaftliche Verantwortung fur die Gesellschaft, die er nieht
nur thematisiert, sondern deren Teil er auch ist, tragt.
Glucklieherweise sehen viele Menschen diese Paradoxie, auch wenn es
im A ugenblick so aussehen mag, als ob die Verfechter eines
nationalistischen Gesell- schaftsverstandnisses wieder die Oberhand
gewinnen. Ich darf an dieser Stelle besonders den studentischen
Mitarbeitern danken, weil sie sieh nieht irritieren lieBen und
diese Problematik mit kleinen selbstandigen ethnischen Vntemehmern,
die die angedeutete Problematik in geradezu exemplarischer Weise
spiegeln, in 2 vielen Gesprachen durchgegangen sind.
In diesem Buch geht es um die Stadt als Organisationskontext und
als lebendes System und die von der Zivilgesellschaft und der
Bevoelkerung ausgehenden Impulse zur Gestaltung und Absicherung von
Inklusion. Die Erfindung von Inklusion im Sinne einer Gesellschaft
fur Alle als ein Regulativ fur das Zusammenleben war schon immer
die Voraussetzung fur Stadtgesellschaften. Bei der Ausgestaltung
dieser Inklusion wurden wiederholt neue Wege eingeschlagen, wobei
Mobilitat und Diversitat stets eine zentrale Rolle gespielt haben.
Stadtgesellschaften tun sich jedoch haufig schwer damit, Inklusion
fur Alle sicher zu stellen. Anhand verschiedener Fallstudien wird
aufgezeigt, wie gesellschaftliche Inklusion fur soziale, ethnische
und kulturelle Minderheiten und Einwanderer immer wieder
eingeschrankt wird und sich in Exklusion verkehrt.
Der Sammelband prasentiert Beitrage zu den Themen 'Doing
Biography', Konfliktlagen zur biographischen Neuorientierung im
Kontext gesellschaftlich definierter Moglichkeiten, nationale
Visionen zu rechten Biographien und Unrechtserfahrungen zur
biographischen Selbstvergewisserung. Er zeigt somit neue
Herausforderungen sowie den grossen Bedarf an Bildungsarbeit auf.
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