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Das Koenigreich Westphalen (1807-1813) ist vielfach als ein beschrieben worden, in dem vor allem verwaltungs- und gesellschaftspolitische Modernisierungen mit zum Teil durchaus nachhaltiger Wirkung erfolgt sind. Die Studie untersucht vor diesem Hintergrund das bislang kaum berucksichtigte Medizinalwesen. Nach der Charakterisierung der Ausgangsstellung bei Grundung dieses kunstlichen Staatsgebildes wird die weitere Entwicklung des Gesundheitswesens analysiert. Dabei geht der Autor auch der Frage nach, in wie weit die franzoesischen Verhaltnisse als Anleihe und Orientierung fur eine in Aussicht gestellte Medizinalreform dienten und welche Dringlichkeit medizinische und staatliche Vertreter ihr beimassen. Die Publikation zeigt, welche Intentionen verfolgt wurden und in welchem Masse Modernisierungen im Gesundheitswesen tatsachlich stattgefunden haben. Die Ambivalenz zwischen aktiver Neugestaltung in einigen Bereichen des Gesundheitswesens bei gleichzeitiger Verzoegerung und Verschleppung einer umfassenderen Reform werden im Kontext der politischen und oekonomischen Entwicklung des Koenigreichs gedeutet.
Die akute Appendizitis gilt in der heutigen Zeit als die haufigste operationsbedurftige Erkrankung des Bauchraums und als die Hauptursache des akuten Abdomen. Seit Anfang des 20. Jh.s ist die Appendektomie als Therapiemassnahme bei akuter Appendizitis eine der am meisten durchgefuhrten chirurgischen Eingriffe, sodass sie mittlerweile zur Routine gezahlt wird. Jedoch weit weniger bekannt ist die Tatsache, dass die Existenz des Wurmfortsatzes erst am Ende des 15. Jh.s durch Leonardo da Vinci erkannt wurde und das Krankheitsbild einer entzundeten Appendix vermiformis erst viel spater im 19. Jh. unter den Medizinern etabliert war. Vor diesem Hintergrund untersucht die Autorin, wie sich der Weg hin bis zur Entdeckung der Appendix vermiformis und die Etablierung des Krankheitsbildes und dessen Therapie im klinischen Alltag gestaltete und welche Grunde diesen Weg zu einem langwierigen machten.
Um 1800 hatte die Geburtshilfe begonnen, sich als eigenstandige Fachrichtung zu etablieren, und AErzte nahmen sich zunehmend eines bis dahin allein von Hebammen bestrittenen Aufgabenbereichs an. Die geburtshilflichen Fachbucher zeigen vor allem wahrend der Zeit der Romantik neue Gedankenansatze zu Schwangerschaft und Geburt auf, welche sich auf physiologisch-anatomische Forschungen und Grundannahmen der romantischen Medizin grunden. Bei dem Versuch, die Auffassungen der Geburtsmediziner dieser Zeit uber die Verbindungen der Schwangeren zu ihrem Kind nachzuzeichnen, wird der Frage nachgegangen, ob das Ungeborene als Individuum oder pars viscerum der Mutter verstanden und ab wann es als Mensch definiert wurde. Zudem werden Theorien zum ausloesenden Moment der Wehen dargestellt und dabei erarbeitet, inwieweit das Kind zu seiner Geburt aktiv beitragt.
Unter dem Einfluss neuer Ansatze und Methoden der wissenschaftlichen Bearbeitung von dinglichen Objekten als Quellen fur historische Forschung beschaftigt sich die Provenienzforschung innerhalb der Museologie intensiv mit der "Sprache der Objekte". Die Autorin betreibt Provenienzforschung an drei ausgewahlten Objekten der anatomischen Sammlung der Universitat Marburg, die im Museum Anatomicum - Medizinhistorisches Museum der Philipps-Universitat Marburg ausgestellt sind, und bringt die Objekte so "zum Sprechen". Dabei bieten anatomische Praparate menschlichen Ursprungs ("human remains") erweiterte Perspektiven. Denn neben ihrer Objektgeschichte selbst koennen auch die Lebens- und Leidensgeschichten der Personen, die hinter den Praparaten stecken, anhand von Patientenakten, Sektionsprotokollen und Katalogeintragen rekonstruiert werden.
Das in Samuel Hahnemanns umfangreicher UEbersetzertatigkeit entstandene "Handbuch fur Mutter" ist die erweiterte Bearbeitung eines revolutionaren franzoesischen Textes nach Rousseau. Es reiht sich in eine grosse Zahl padagogisch-medizinischer Ratgeber ein, die im spaten 18. Jahrhundert als Folge der Aufklarung und der Entwicklung von an Locke und Rousseau orientierten padagogischen Konzepten erschienen sind. Die kommentierte Textausgabe stellt die Erweiterungen, aber auch Auslassungen Hahnemanns gegenuber der anonymen franzoesischen Vorlage dar und ordnet sie in den Kontext der Aufklarung, der Reformpadagogik, der Franzoesischen Revolution sowie der konkurrierenden medizinischen und padagogischen Schriften und ihrer zeitgenoessischen Rezeption ein.
Die Autorin befasst sich mit dem Thema Pflege in der Fruhen Neuzeit. Krankenpflege in dieser Zeit wird vor allem mit religioesen Orden und Gemeinschaften in Verbindung gebracht. UEber die weltliche Krankenpflege ist hingegen wenig bekannt, noch weniger uber die Personen, die pflegten. Das Buch untersucht diesen Themenkomplex anhand des Hospitals Merxhausen. Im Zentrum stehen die Personen der Aufwarter und Aufwarterinnen, ihre Arbeitsverrichtung sowie ihr Verhaltnis zu den Hospitalsinsassen. Darauf aufbauend werden grundlegende Fragen zu Hygiene und Medizin, aber auch zu Gewaltanwendung und Einsperrung in einem Hospital der Fruhen Neuzeit behandelt.
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatte man sich mit allen heute gangigen Methoden der Gefasschirurgie auseinandergesetzt und in diesem Bereich der Chirurgie binnen weniger Jahre wichtige Erkenntnisse gewonnen. Gemass der oftmals aufgestellten These, ein Krieg bringe fur die Medizin, speziell die Chirurgie, Fortschritte, bot sich den Medizinern mit Beginn des Ersten Weltkrieges die Gelegenheit, dieses Wissen zu festigen und zu erweitern. Zeitgenoessische Berichte damals tatiger Kriegschirurgen stellen jedoch deutlich die widrigen Bedingungen an der Front dar, die es nahezu unmoeglich machten, die bisherigen Erkenntnisse erfolgreich umzusetzen, geschweige denn Fortschritte in diesem komplexen Bereich der Chirurgie zu erzielen.
Mit Inkrafttreten des Reichsimpfgesetzes 1874 formierten sich die latent vorhandenen Kritiker zu einer organisierten Impfgegnerschaft. Um deren Beweggrunde, Argumente und die Verbindungen der Protagonisten untereinander zu erfassen, bietet sich ein regionaler Bezugsrahmen an. Er ermoeglicht es, die individuellen Kontexte der Impf(zwang)gegner zu ermitteln, ihre Vernetzungen aufzudecken und zu zeigen, wie dieses Netzwerk arbeitete. Zudem wird untersucht, inwieweit die Impfgegner in Hessen in die zeitgenoessische Lebensreformbewegung integriert waren. Moderne Impfkritiker, die uber das World Wide Web vernetzt sind, tragen mit dazu bei, dass schwerwiegende Infektionskrankheiten wie Masern immer wieder ausbrechen.
Adalbert Friedrich Marcus (1753-1816) setzte als bedeutender Mediziner zahlreiche gesundheitspolitische Innovationen durch. Eine Voraussetzung fur diese weitreichenden Handlungsoptionen war die Konversion vom judischen zum christlichen Glauben. Die Beitrage dieses Bandes verorten Marcus in seinen familiaren, gesellschaftlichen und kulturellen Bezugen und Vernetzungen. Im Vergleich mit anderen judischen AErzten der Sattelzeit (Stieglitz, Herz, Wolf, Henle, Stilling, Eichelberg) werden Bedingungen des Wirkens und Strategien der Karriereplanung analysiert. Nicht alle konvertierten, so dass auch der persoenliche Stellenwert ihrer Religionszugehoerigkeit thematisiert wird. Das Rundtisch-Gesprach zielt auf eine strukturelle Zusammenschau und Bewertung der individuellen Strategien judischer AErzte; sie werden in ihren Bedingungszusammenhangen diskutiert, um zugleich weitere Forschungsperspektiven zu konturieren.
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